21. September 2010

Keine Papayas für Pablo – die Hauptstadt und das Drogen-Kartell

Back in Town. Nach zehn Tagen Herbstferien und den Stationen Bogotá, Villa de Leyva und Medellín. Einigermaßen gesund und munter und bereit wieder in die Uni zu gehen. Aber bevor der Alltag und die Hitze wieder zuschlagen können, ein kurzer Blick auf den zurückliegenden "Urlaub".

Los gings in unserer Hauptstadt Bogotá (sieben Millionen Einwohner, 2.600m über dem Meer gelegen), wunderschön aber arschkalt, vor allem wenn man unsere Temperaturen hier an der Küste (auch nachts noch 30°C) gewohnt und dementsprechend klamottentechnisch ausgestattet ist. Netterweise durften wir bei anderen Mainzer Austauschstudenten in ihrer internationalen 7er-WG in einem alten putzigen Häuschen im coolsten Stadtteil Bogotás wohnen. Leider gab es keine Heizung und deswegen erstmal einen Schnupfen zur Begrüßung. Ganz tourimäßig haben wir dann die wichtigsten Stationen Bogotás angeschaut (Goldmuseum, Boteromuseum, hoch mit der Gondel auf den Monseratte um auf die Stadt zu gucken, und nach Zipaquira zur Salzkathedrale, einer Kirche in einer Salzmine). Volles Programm für drei Tage, aber es blieb genug Zeit, um in netten Cafés zu sitzen Zuckerrohrwasser mit heißem Aguardiente zu trinken und einfach nur ein bisschen durch die Stadt zu schlendern. Prompt überkam uns der Neid, denn in Bogotá gibt es ein Studentenviertel, dementsprechend auch Studentenleben, die Uni ist etwas anspruchsvoller und die Leute sind etwas anders als an der Küste. Aber die Kälte und vor allem die fehlende Karibik mit ihren attraktiven Reisezielen sprechen dann doch eher für Barranquilla.

Bogotá ist auf jeden Fall schon großstadtmäßig und im Gegensatz zu Barranquilla hat es dort wohl schon einige "Übergriffe" gegeben. Am ersten Abend haben wir dann von Valerie, eine unserer Gastgeberinnen, auch gleich mit auf den Weg bekommen, was so Sache ist, wenn die Sonne nicht mehr scheint. Drei Grundregeln: Zügig gehen, niemandem in die Augen gucken und sich nicht verpeilt und verloren irgendwo hinstellen. (Versuchen wir ja im Grunde hier bei uns auch so zu handhaben). Dort sagt man dazu "no dar papayas", was übesetzt heißt, dass man keine Papayas verteilen soll und eigentlich meint, dass man sich halt anständig und vernünftig verhalten soll. Das hatten wir dann also schon mal gelernt.

Dienstags gings dann nach Villa de Leyva, so vier Stunden von Bogotá entfernt. Atemberaubende Landschaft auf der Fahrt (die kolumbianischen Anden und so), ein milderes Klima als in der Hauptstadt und eine Kulisse wie im Film. Das Städtchen wurde im 16. Jahrhundert gebaut und seitdem nicht wirklich verändert. Sehr hübsch auf jeden Fall. Von dort aus sind wir dann zu Wasserfällen gewandert und haben uns etwas vom Großstadttrubel erholt. Außerdem gabs dort nicht wirklich ein Hostel, deswegen ein etwas besseres Zimmer mit Fernseher, weshalb wir abends unsere kolumbianische Lieblings-Telenovela gucken konnten – auch mal schön.

Den Großstadttrubel hatten wir dann am Donnerstag zurück, als wir erst mit dem Bus nach Bogotá gefahren und von dort nach Medellín geflogen sind. Und dort waren wir dann bis gestern. Medellín (drei Millionen Einwohner und zweitgrößte Stadt Kolumbiens) galt mal als die gefährlichste Stadt der Welt – angeblich, aber mittlerweile ist es sicher – angeblich (Samstag wurden fünf Menschen aus einem Taxi heraus erschossen, angeblich Bandenkriegssache, wir waren auf einem Ausflug an dem Tag). Berühmtester Sohn der Stadt, wenn man das so sagen kann, ist Pablo Escobar, Drogenbaron und Chef vom Medellín-Kartell. Das hat in den 80ern und bis Mitte der 90er einen rieseigen Teil des weltweiten Kokainhandels kontrolliert. Dann wurde Escobar 1993 erschossen und das Kartell war im Eimer. Ab da hat war dann hauptsächlich das Cali-Kartell am Start (von dem wurde wohl dieses Wochenende einer der letzten wichtigen Chefs verhaftet).

Naja ist keine einfach zu durchblickende Sache. Auf jeden Fall haben wir in Medellín so ne Tour gemacht zu den wichtigsten Schauplätzen des Kartells und von Pablos Leben. Im Kartell-Hauptquartier ist heute ein Reha-Zentrum und ein Restaurant, einige andere Gebäude stehen leer, vieles wird auch benutzt. Escobar war so reich, dass er halt auch total viel in der Stadt gebaut hat. Waren auch dort wo er erschossen wurde und an seinem Grab (nach Evita Peron das zweitmeist besuchte Grab Lateinamerikas). Auf jeden Fall krass, wenn man sich vorstellt was früher in dieser Stadt abging.

Die Stadt an sich war nicht so super schön, außer Museen und Kirchen gab es nicht so viel zu sehen, aber nach Bogotá hatten wir auch sehr hohe Ansprüche. Was es gab, das war eine Metro. Gibt es zwar in anderen großen Städten auch, aber dort sind das dann Busse, die feste Haltestellen haben (was auf diesem Kontinent sehr sehr fortschrittlich ist) und in Medellín gibt’s das ganze nochmal auf Schienen, echt cool. Was auch cool war, war die Umgebung der Stadt. Wir sind samstags nach Guatapé gefahren, wo man auf einen Stein klettern kann (besser gesagt Treppen steigen, knapp 700 Stufen, mir tun immer noch die Beine weh), der die Landschaft überragt. Die sieht aus wie in Schweden, mit viel Grün und vielen Seen. Super schön. Sonntags sind wir mit einer Gondel auf einen Berg in der Stadt gefahren. Die Gondel wurde quasi ins ärmste Viertel der Stadt gebaut und man guckt den Leuten ins Wohnzimmer, wenn man damit fährt. Es sieht auf jeden Fall ziemlich schlimm dort aus. Aber es ist auch krass, dass man dann so einen tollen Blick auf die Stadt (und ihre besseren Viertel) hat. Es ist immer wieder erschreckend, wenn man diese weite Schere zwischen arm und reich so deutlich vor Augen gehalten bekommt, was in Kolumbien sehr oft passiert. Danach sind wir noch zum Literaturfestival im botanischen Garten, denn im Gegensatz zu Barranquilla gibt’s in anderen kolumbianischen Städten auch sowas wie Kultur (so zum Beispiel auch das Straßen-Laientheater über die Geschichte Kolumbiens in unserem Viertel in Bogotá, das von einigen Jungendlichen aufgeführt wurde und total interessant und gut gemacht war).

Der Rückflug am Montag hat dann ewig gedauert, weil das kolumbianische Ryanair mit dem wir hier die Inlandsflüge machen (ich weiß nicht wie kompetent die sind, aber wir sind bisher immer durch Gewitter mit Blitzen geflogen – ist das gut?) wieder mal einen Flug gestrichen hat und wir fünf Stunden in Medellín und vier Stunden in Bogotá festgesessen haben (Tom-Hanks-Terminal-mäßig). Naja und jetzt sind wir wieder daheim in Barranquilla. Und wie damals in San José fühlt es sich schon wie nachhause kommen an, auch wenns nicht die schönste Stadt ist. Und ich werde nie wieder über die Hitze schimpfen, denn schwitzen ist auf jeden Fall besser als frieren (wobei ich mir für die zukünftigen Ausflüge eine coole Mütze in Villa de Leyva gekauft habe).

Diese Woche geht die Uni wieder los und Tischtennis und der Alltag. Ist aber auch schön, die zehn Tage waren auch schon anstrengend. Aber auf jeden Fall super. Aber natürlich gibt es immer noch ganz schön viel zu sehen von Kolumbien. Jetzt ist aber erstmal kurz Pause.

Neue Fotos gibt’s auch und werden die Tage auch noch ein paar neue kommen. Ich hab jetzt auf jeden Fall wieder Internet und bin kommunikationsfähig. Also bis die Tage...

PS. Für die Lesefaulen: Bogotá (superschön, studentisch, arschkalt) - Villa de Leyva (alt, wärmer) - Medellín (Drogenkartell, Pablo, heute nicht mehr so gefährlich) - wieder in Barranquilla - Ferien vorbei

PPS. Man kann an unsere Adresse hier Briefe schicken, das mal als Nachricht an die Omas. Die Adresse lautet:

Julia Sloboda en la casa de Rosa Ruiz
Calle 77B # 57-59
Edificio Fiorella Apto. 302A
Barranquilla / Colombia

dauert so vier bis fünf Wochen, haltet euch also ran :)