Ich lebe noch, klar, und es geht mir super. Wir waren das Wochenende über verreist, sind seit gestern (Montag) Abend wieder in Barranquilla. Wir, in diesem Fall Josefine und ich, sind am Freitagmorgen losgefahren Richtung Santa Marta. Das liegt auch an der Karibikküste, einfach ein bisschen weiter nördlich. Dort hatten wir ein Super-Hostel, mit Pool und Dachterrasse und haben uns am Freitag bisschen umgeguckt. War alles noch so kolonialstilmäßig dort, auf jeden Fall putzig. Waren in einer Kathedrale und im letzten Haus von Simón Bolívar, also in dem Haus, wo er gestorben ist. Bolívar ist der große Held hier, ist unter anderem für die Unabhängigkeit Kolumbiens von Spanien verantwortlich, außerdem noch für einige andere Länder.
In seinem Haus haben wir ne Führung bekommen, war echt interessant. Nebenher war auf dem Gelände noch ne Militärparade, sah aus, als ob wir uns auf Hugo vorbereiten würden. Auf dem Heimweg hat es so stark angefangen zu regnen, dass "nass" gar nicht unserem Zustand gerecht wird. Klitsch-klitsch-nass schon eher. Gab dann wieder die Strömungen in den Straßen. Abends haben wir dann endlich mal Nudeln gegessen und mit zwei Iren und einem Argentinier Bier getrunken. Und dann kam wieder dieses Backpackergefühl auf. Die Iren haben uns erzählt, wo sie schon überall waren in Südamerika und was sie gemacht haben. Und die Uni war auf einmal so weit weg und das Rumreisen so nah und es war unvorstellbar für mich, montags wieder in die Uni zu gehen (gut, war ich ja dann auch nicht).
Am nächsten Tag sind wir dann weiter nach Taganga, angeblich ein kleines Fischerdorf mit hübschem Strand. Blöderweise haben wir uns dort erstmal verlaufen und sind mit den Rucksäcken durch die Gegend, also durch die Berge, gewandert. Irgendwann haben wir dann doch das Hostel gefunden, in dem natürlich nichts mehr frei war. Die haben uns dann in einem kleinen, etwas abgelegenen Häuschen schlafen lassen, was ein ganz klein bisschen gruselig in der Nacht war, aber wir habens überstanden. Tagsüber waren wir dann am Strand, war ne ganz schöne Kletterei an der Küste entlang, aber wir haben dann in so einer kleinen Bucht mit einheimischen Fischern rumgehangen und ihnen beim Netze einholen zugeguckt. Abends gabs Nudeln mit Ei und die Präsidentenvereinigung im Fernsehen. Hier gibt’s jetzt einen neuen, Juan Manuel Santos, und der gibt sich auch grad schön Mühe, um sich wieder mit Hugo zu vertragen. Alles wird gut.
Am nächsten Tag wollten wir dann früh in den Nationalpark nach Tayrona fahren. Früh, weil es immer mittags zu regnen anfängt und weil man dort ein ganz schönes Stück hinwandern musste. Wir haben dann aber verschlafen und sind etwas später los. Wieder zurück nach Santa Marta, dann in einen Miniort, El Zaino, wo der Parkeingang lag. Weil wir tolle kolumbianische Studenten sind, mussten wir nur den Einheimischen-Preis zahlen. Dann gings mit einem Bus und schnapstrinkenden (Aguardiente, Nationalgetränk) Einheimischen noch einen Ort weiter, von wo aus man loslaufen musste. Angeblich sollte der Weg so ne Dreiviertelstunde dauern, ich glaub am Ende waren es zwei Stunden bei uns. Aber egal. Endlich wieder Dschungel. Es war super heiß, aber auch super schön. Die Affen waren auch am Start und noch ein paar andere Tiere. Der Weg ging dann auch noch am Strand entlang in so ner Felslandschaft. Der Nationalpark ist auf jeden Fall das schönste Stück Kolumbiens was ich bisher gesehen habe. Traumhaft. Als dann die ersten Hütten in Sicht kamen, waren wir trotzdem ganz schön froh. Das war dann erstmal das falsche, weil viel zu teure Hotel. Die haben uns dann weitergeschickt, auf einem Weg, der dem Schlammweg in Panama zum Strand in nichts nachstand. Irgendwann haben wir dann die Schuhe ausgezogen und sind barfuß gegangen. Das Hostel, in das wir wollten, lag mitten im Dschungel und war super schön. Mega unzivilisiert, man hat in Hängematten geschlafen und Licht gabs aus der Petroleumlampe, aber trotzdem super. Statt einer Küche gabs sowas wie ne Feuerstelle und die Duschen waren unüberdacht im Freien. Überall standen Kokospalmen und Limonenbäume. Dort haben wir dann auch endlich DEN Karibikstrand gefunden, den wir die ganze Zeit gesucht haben und den es auch in Santa Marta und Taganga nicht gab. Super schön, wenige Leute, heller Sand und Palmen. Man musste allerdings wieder durch den Matsch laufen um hinzukommen. Ich habe die Theorie, dass man sich gute Strände erst durch anstrengende Wege verdienen muss. Auf dem Weg dorthin kam man an einer Bäckerei vorbei, wo ein alter Opi frischgebackenes Brot mit Schokofüllung verkauft hat. Oh mein Gott, das war so lecker, dass uns fast die Tränen gekommen sind. Nach ein bisschen Schwimmen und einem frischgepressten Orangensaft gings dann zurück ins Dschungelcamp, gerade noch rechtzeitig vorm großen Regen. Witzig war dann zu duschen, weil es in Strömen geregnet hat und man, obwohl der Duschhahn zu war, immer noch total nass geworden ist. Abends haben wir dann lecker gegessen, es war schon zu dunkel, um selbst was zu kochen und mit zwei Engländern, zwei Deutschen (aus Seeheim) und zwei Israelis erzählt und später Gitarre gespielt und gesungen. Beim Essen haben wir gemeinsam mit den Kolumbianern noch eine Doku über die kolumbianischen Rebellen angeguckt, einen Fernseher gabs nämlich, war auf jeden Fall interessant. Die Nacht in den Hängematten haben wir auch gut überstanden, aber im Bett schläft man schon besser. Waren dann nochmal beim Schokobrot-Opi und im Meer und haben uns dann auf den Heimweg gemacht. Für den anstrengenden Weg lohnt sich eine Nacht fast gar nicht, aber wir hatten keine Klamotten mehr und die sanitären Anlagen im Dschungelcamp waren auch nicht 100% funktionstüchtig. Außerdem gab es nette achtbeinige Mitbewohner und an das Dschungelleben muss man sich erst so langsam wieder gewöhnen. Aber da fahren wir auf jeden Fall wieder hin. Nach einem anstrengenden Rückweg haben wir die Israelis und die Deutschen wieder getroffen und sind mit ihnen bis Santa Marta gefahren. Wir ab da bis Barranquilla, wieder schön an der Karibikküste entlang. Da sind wir echt an krassen Dörfern vorbei gefahren. Auf der einen Seite das Meer, auf der anderen der Fluss, alles matschig und überschwemmt vom Regen. Sah teilweise richtig schlimm aus. Aber die Kinder spielen draußen Fußball. In Barranquilla sind wir dann zum ersten Mal alleine vom Busterminal bis nach Hause gefahren, mit einem normalen Bus und nicht mit dem Taxi. Hat zwar ne Stunde gedauert, aber so hatten wir noch bisschen Stadtführung und haben ein paar krasse Ecken von Barranquilla gesehen.
Nach diesem schönen und anstrengenden Wochenende weiß ich auf jeden Fall, dass ich auch während der Uni-Zeit ganz viel herumreise will. Die kolumbianischen Paten machen da zwar nicht so mit, aber das ist schon ok. Die anderen Deutschen, die eigentlich noch mitkommen wollen und generell alle Auslandsstudenten sind dieses Wochenende daheim geblieben, weil die Paten gesagt haben, dass man nicht verreisen kann. Angeblich wegen dieser Präsidentensache. Wir habens nicht geglaubt und es hat auch nicht gestimmt. Generell versuchen die uns hier etwas an der kurzen Leine zu halten, haben wir manchmal das Gefühl. Wir sollen da nicht hin und dort nicht hin und so weiter. Klar hören wir zu und glauben manche Sachen auch. Aber die hätten am liebsten, dass unser Radius sich auf die Uni, unseren Wohnort, die Shoppingmall und die Nobeldisko beschränkt. Dass wir hier unbedingt mal raus wollen aus der Stadt, konnten nicht unbedingt alle verstehen, hatte ich teilweise das Gefühl. Aber man muss hier raus, zumindest ab und zu. Schon nach einem Wochenende haben wir viele nette Leute kennengelernt, viele neue Reisetipps bekommen und eine ganz andere Seite von Kolumbien gesehen. Und wir wollen alle Seiten sehen.
Noch ein Nachtrag zu letzter Woche. Ich hatte gar nichts geschrieben, aber es war auch nicht so viel los. Samstags abends war die Busparty im Partybus, das war witzig. Da haben wir auch das erste Mal vorher die schlimmen Strömungen vom Regen in Barranquilla gesehen. Es gibt kein Abwassersystem und die Straßen laufen so schnell voll, dass die Autos quasi schwimmen. Sonntags haben wir dann bei einem Deutschen aus Nürnberg in der WG gekocht. Und dann ging ja auch die Uni wieder los. Ich hab zwei Kurse, die ich letzte Woche ja verpasst hatte, weil ich krank war, die richtig gut sind. Gut strukturiert und interessant. Die Dozenten interessiert nicht so wirklich, dass ich Deutsche bin, es gibt keine Extrawürste oder so was. Musste dann z.B. die englischen Texte auf Spanisch zusammenfassen, weil die Kolumbianer nicht so gut englisch können. Aber mein Uni-Spanisch ist auch noch ausbaufähig. Wird schon werden. In dem einen guten Kurs haben wir dann einen Film über die Berliner Mauer geguckt, das war schön für uns. Die Kolumbianer hats nicht so arg interessiert, die haben lieber mit ihren Handys rumgespielt. Mittwoch hat sich der Hochschulsport vorgestellt auf so einer Messe und ich hab bisschen Tischtennis gespielt. Wurde dann sofort verpflichtet für irgendwelche Mannschaften, blicke noch nicht so ganz durch, morgen gehe ich das erste Mal zum Training.
Mit unserem Essen hier zuhause klappts jetzt ganz gut. Señora Sandra macht alles in den Kühlschrank nach dem Kochen, wenn wir nicht da sind und es gibt zwischendurch auch echt mal leckere Sachen. Alles gut also.
So genug Schreiberei. Gehen nachher ins Kino und morgen dann auch mal wieder zur Uni. Muss auch noch Hausaufgaben machen dafür. Am Wochenende wollen wir nach Cartagena, auch an der Karibik nur weiter Richtung Westen, und ich bin mal gespannt wer so alles mitkommt. Das ist auch ne Kolonialstadt dort und die soll superschön sein. Jetzt aber erstmal wieder Stadt- und Studentenleben und Pause mit Backpackerdasein und Dschungelcamp, zumindest für ein paar Tage.
Beso und Gruß daheim!
PS: Für die Lesefaulen, die es diesmal sehr schwer haben: Rumreisen – Hostel mit Pool – Dschungelcamp – Karibiktraumstrand – ofenfrisches Schokobrot – vorläufiger Frieden mit Señora Sandra – vorläufiger Frieden wahrscheinlich auch mit Hugo
PPS: Natürlich gibt’s auch viele neue Fotos!
PPPS: Meine deutsche Handynummer geht anscheinend doch nicht hier. Bisher konnte ich nur die SMS von meinen Eltern empfangen, komisch. Aber ich habe eine kolumbianische Handynummer und es könnte sein, dass ich darauf SMS aus Deutschland empfangen kann. Die Nummer ist: 0057 3014874413
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