22. August 2010

Die schönste Stadt Kolumbiens...?

... soll angeblich Cartagena sein. Um das herauszufinden, sind wir letztes Wochenende mal dahin gefahren. Wir waren diesmal Josefine und ich und Christina, eine andere Deutsche aus Osnabrück. Cartagena ist nicht weit von Barranquilla entfernt, nur diesmal in die andere Richtung, als in der vorigen Woche. Dort ist noch richtig viel übrig von dem, was die Spanier damals so gebaut haben. Und es ist wirklich schön. Viele bunte Häuser mit schönen Balkonen, Kirchen, Parks… alles irgendwie putzig. Aber auch die touristischste Stadt, die wir bisher gesehen haben. Und eine Stadt mit vielen Gesichtern. Das historische Zentrum, tip top aufgeräumt und sauber. Alles sicher, man kann endlich auch mal nach Einbruch der Dunkelheit mit gutem Gewissen draußen rumlaufen. Dann das Geschäftsviertel, mit einer beeindruckenden Skyline. Und dann der Rest der Stadt, arm, dreckig, laut, chaotisch, typisch. Eine dreigeteilte Stadt. Kolumbianische Freunde von uns haben gesagt, Cartagena sei eine Lüge. Das mag sein, aber der historische, touristische Teil ist einfach auch schön, das kann man nicht anders sagen. Und die Atmosphäre ist entspannt.

Am Freitag sind wir auf jeden Fall losgefahren, es hat ewig gedauert bis wir da waren, da öffentliche Busse vom Busterminal (das immer am Arsch der Welt liegt) bis ins Zentrum generell ne Stunde brauchen. Hier und in Cartagena, dann noch zwei oder drei Stunden Fahrt dahin, eine Stunde vorher auf den Bus gewartet und Zack, ist man sechs Stunden unterwegs. Den Weg zum Hostel haben wir ganz alleine gefunden, aber das war voll, dafür sind wir ins Nachbarhostel, in dem hundert Haustiere gewohnt haben (ein Hoch auf die Tollwutimpfung!). Aber das war echt süß. Schildkröten sind da immer rumgelatscht, zwei Papageien haben vor sich hingebrebelt… nett. Das einzig negative war die Klimaanlage in unserem Zimmer, die war richtig kalt in der Nacht und hat wohl dazu geführt, dass sowohl Christina als auch ich vom Skiurlaub geträumt haben.
Freitag und Samstag haben wir uns dann die Stadt angeguckt, ein Bier im Park getrunken und abends war so ein Musikfestival auf einem großen Platz. Wie gesagt, war es echt mal schön abends noch ein bisschen rumzulaufen. Am Samstag Nachmittag hatten wir dann alles gesehen und sind los Richtung Playa Blanca, ein Strand auf einer Halbinsel, die in die Karibik reinragt und wo wir noch ein, zwei Strandtage verbringen wollten.

Die Fahrt war aufregend. Mit dem Bus zu einem Flüsschen, dann mit einer Nussschale drüber. Auf der anderen Seite haben sich ca. 20 Motorradfahrer auf uns gestürzt, die uns mit ihrem "Mototaxi" fahren wollten. Wir waren auf jeden Fall in einer guten Verhandlungsposition und nachdem wir die vertrauenswürdigsten drei Fahrer rausgesucht hatten, gings bei denen hintendrauf ca. 45 Minuten über Schotterpiste und durch Matsch. Aufregend. Ich hatte meinem Fahrer gesagt, er soll nicht so schnell fahren, war dann auch echt ok.

In Playa Blanca haben wir die israelischen Jungs von der Vorwoche wieder getroffen, und sind bei ihnen eingezogen. Der Landstrich bestand nur aus einem schmalen Strand mit einigen Hütten, wo Hängematten aufgehängt waren. Bei den Israelis einziehen hieß dann, dass die verrückte Omi bei der sie gewohnt haben, einfach noch drei weitere Hängematten aufgetrieben und aufgehängt hat. Die hat sie aber nicht so gut verknotet, was in der Nacht zu zwei Stürzen führte und außerdem hingen sie so eng aneinander, dass jede Bewegung von allen Mitbewohnern mit gespürt werden konnte. Aber gut, Schlaf ist eh überwertet. Am ganzen Strand gabs nur drei Klos, die aber auch nicht richtig funktioniert haben. Keine Duschen, kein fließendes Wasser. Aber eine himmelblaue Karibik, in der man den Grund und viele bunte Fische sehen konnte. Da verzichtet man auch mal aufs duschen. Ist genau wie schlafen völlig überbewertet. Theoretisch stand uns sogar ein Kanister Duschwasser für drei Leute zur Verfügung mit dem wir uns hätten "duschen" können. Aber hätte auch nicht viel gebracht, gab ja für jeden dann nur ein paar Tropfen Wasser. Also lieber duschen in der Karibik.

Die verrückte Omi hat uns dann erstmal Fisch gemacht (den gibt’s hier immer ganz auf den Teller, muss man dann selber mit klarkommen) und wir haben mit den Israelis am Strand rumgehangen. Später haben wir noch Shrimps gegessen , unterm Sternenhimmel gesessen und Sternschnuppen gezählt. Christina und Josefine haben leider noch eine sehr große Spinne entdeckt, die in so nem Bretterverschlag saß wo unsere Rucksäcke standen und die Kochstelle war. Ich bin dann direkt ins "Bett", weil ich die nicht sehen wollte. Kurios war, dass am ganzen Abend permanent so ein paar Soldaten mit Gewehren bei uns rumgelaufen sind, die quasi so am Strand patrouilliert haben. Das war doch eher merkwürdig, vor allem weil alles dunkel war und man dann immer so die Schatten von diesen Kerlen mit ihren Waffen gesehen hat. Ich bin dann hin und hab gefragt, was sie hier machen und obs gefährlich hier wäre. Hab gesagt, dass man in Deutschland diese Waffenpräsenz nicht so gewohnt ist und uns das etwas beunruhigt. Aber sie waren sehr nett und haben gemeint, dass sie nur bisschen aufpassen, dass nix passiert und das alles Routine wäre und ich "tranquila" sein sollte. Super. Da schläft sichs doch gleich besser, wenn man halbwüchsige bewaffnete Kolumbianer neben seiner Hängematte weiß...

Am nächsten Morgen sind wir mit der Sonne aufgestanden und haben erstmal gebadet. Wir sind wachgeworden, weil unsere Vermieter-Omi sich total mit unserer Nachbar-Omi gestritten hat. Wie sich im Laufe des Tages noch herausstellen konnte, waren die absolut verfeindet, weil unsere Omi mehr Gäste hatte als die andere. Die haben sich so angekeift, das war unglaublich. Wir haben dann den Tag im Schatten und im Meer verbracht und uns nachmittags Richtung Cartagena aufgemacht. Diesmal nicht mit dem Motorrad, sondern mit einem Bötchen, über die Karibik, weils billiger war als Motorrad und schneller. Naja am falschen Ende gespart würde ich sagen, die Fahrt war der Horror, das Boot war zu klein für das Meer, es hat die ganze Zeit geregnet und die Karibik hatte nicht wirklich Bock auf uns. Eine Kolumbianerin hat sich vor Angst in die Hose gemacht – echt. Aber ist gut gegangen. In Cartagena haben wir dann noch Delfine vom Strand aus gesehen, wie sie rumgesprungen sind – total schön. Auf der Rückfahrt hatten wir einen viel zu arg klimatisierten Bus, der dann noch ewig im Stau stand und in dem schlechte Filme kamen. Kolumbianer gucken immer Filme während Busfahrten, aber immer viel zu laut und immer irgendwelche schlimmen Sachen, obwohl auch Kinder mitfahren. Es waren dann alle einigermaßen geschafft, als wir wieder in Barranquilla waren… aber es war ein schönes Wochenende.

Was sind die sonstigen Entwicklungen? Juan (unser Pate) wohnt jetzt bei uns. Überraschung. Naja, nachdem er sich zehn Tage gar nicht gemeldet hatte, ist er dann hier eingezogen. Ist etwas anstrengend, weil er die ganze Zeit rumgickelt oder tief-betrübt aufgrund irgendwelcher sentimentaler Probleme ist oder mit unserer Vermieterin Pyjama-Partys feiert. Dass er hier wohnt, hat auch zu einem kleinen Drama geführt. Er sollte mit Lina, der einen Anwältin, ein Zimmer teilen. Die wollte das aber nicht und das war auch nicht so abgesprochen und dann wollte unsere Vermieterin sie rausschmeißen. Dann gabs Tränen. Und jetzt wohnt Lina in einem anderen Zimmer, weil einer der Juans ausgezogen ist und alles ist gut. Sie ist echt noch die normalste unserer Mitbewohner, deswegen wäre es schade um sie gewesen.

Und sonst? Ich spiele ab und zu Tischtennis, hab da auch ein paar nette Leute kennengelernt mit denen wir auch schon am Strand waren dieses Wochenende. Wir haben eine Uni-Freundin, die normal ist und mit der (und deren Freunden) wir gestern feiern waren (leichte gesundheitliche Probleme deswegen heute, aber geht schon wieder). In so nem Kult-Salsa-Schuppen, eigentlich so ne Eckkneipe und alle tanzen dann draußen, total cool. Aber wir waren die Attraktion schlechthin. Alle haben uns angeguckt und wir wurden vom DJ extra begrüßt.

Die Köchin macht sich eigentlich, es gab einmal Pfannkuchen zum Frühstück, aber es sind immer so Hochs und Tiefs. Sie weiß jetzt wie ich heiße und spricht manchmal auch ein zwei Worte. Also eine Verbesserung an dieser Front. Leider macht sie unsere Wäsche kaputt, wenn sie die wäscht. Die kommt dann mit Flecken, muffig und verfusselt zurück. Wenn man von seiner alten WG gewohnt ist, dass die Wäsche immer tip top sauber ist (was aber auch am leichten Waschzwang der Mitbewohnerin lag) ist das schon eine kleine Umstellung. Aber gut, wir arbeiten dran.

In der Uni läuft auch alles, wir wurden jetzt auch mal von den Dozenten als Ausländer erkannt und die haben uns gefragt, wies so läuft. War vorher nicht so, da waren wir denen ein bisschen egal. Na ja und manchmal kriegen wir extra Hausaufgaben, weil wir ja so gut Englisch können und die anderen nicht. Beim Tischtennis-Training sind echt ein paar gute Leute und es gibt auch einen Trainer, ich werde also nix verlernen. Ihr seht, es läuft...

So ich könnte noch ewig schreiben, weil wir langsam aber sicher der kolumbianischen Mentalität auf die Spur kommen und uns vor allem Juan immer wieder mit seinem Weltbild überrascht, bzw. schockiert. Aber das schreib ich mal wann anders... das wäre jetzt zu viel des Guten.
Ok also dann bis ganz bald!

PS: Wir haben auch die ARD-Doku über Ingrid Betancourt geguckt. Krass, ja, aber kein Grund nicht weiter Schokobrot im Dschungel zu essen. Die Rebellen sind in einem ganz anderen Dschungel. Außerdem ist das ja auch schon ein bisschen her und die Sachen haben sich geändert. Aber die politische Lage in diesem Land und die Details des Konflikts sind auch noch einmal eine andere Geschichte für einen anderen Beitrag.

PPS: für die Lesefaulen -> Cartagena, Stadt mit drei Gesichtern – Playa Blanca, verrückte Hängematten-Omi – neue (und vor allem normale) Freunde – Salsa im Kult-Schuppen – Pfannkuchen zum Frühstück

PPPS: Neue Fotos gibts auch...